König Heinrich V und die Kühlbox von Agincourt

König Heinrich V (Henry V) ist ein ziemlich altes Bühnenstück von niemand geringerem als Shakespeare. Dabei geht es um den jugendlichen König Heinrich V von England, der ziemlich erbost Frankreich den Krieg erklärt, nachdem er vom französischen Dauphin (der älteste Sohn des Königs) einen Satz Tennisbälle geschickt bekommt, mit denen er spielen soll, um seinen jugendlichen Übermut auszuleben. Heinrich schäumt vor Wut und marschiert in Frankreich ein. Das Stück endet mit der Schlacht von Agincourt, die während des Hundertjährigen Krieges tatsächlich stattgefunden hat. Die Schlacht von Agincourt am 25. Oktober 1415, südlich von Calais, gilt dabei als bedeutendster Sieg Englands und besiegelte gleichzeitig die Niederlage der französischen Krone.

Die Aufführung dieses Stückes war eine meiner schwersten Rollen. Zwar spielte ich nur den Erzbischof von Canterbury, doch empfand ich das Ganze als sehr anspruchsvoll. Gleichzeitig macht es natürlich ungeheuer viel Spaß ein so altes und bedeutendes Stück der Literatur- und Theatergeschichte zu spielen.

Die Generalprobe war ein Desaster! Ich muss allerdings dazu sagen, das Generalproben immer komplett danebengehen und mindestens 3 Stunden länger gehen, als ursprünglich geplant. Man sagt, dass wenn die Generalprobe reibungslos funktioniert, sollte man die Premiere absagen. Nachdem also unsere Generalprobe komplett neben der Spur lief, wiegten wir uns in selbstgefälliger Sicherheit und hofften auf eine glänzende Premiere.

Der Vorhang glitt pünktlich zur Seite und das königliche Spiel begann. England im Jahr 1415. Perfekte Kostüme, perfektes Bühnenbild – sogar die Fackeln an den Wänden wirkten wie echt. Thronsaal des englischen Königs Heinrich des V. … Ich betrete als Canterbury die Bühne, um meinen König von der Ankunft der französischen Botschafter zu berichten und beginne stilsicher mit meinem Text.

Dabei fällt mir allerdings eine leise Unruhe auf, die sich durch die Reihen der Zuschauer zieht. Unweit des Thrones mit König Heinrich bemerke ich eine Kühlbox. Plastik in einem bestechlich leuchtendem Signalrot. Ich glaube es gab nichts, aber auch gar nichts, welches die Anwesenheit dieser Kühlbox im europäischen Mittelalter rechtfertigte. Ich bezweifle sogar, dass es wirklich jemals etwas im Mittelalter gegeben hat, was in solch abscheulichen Farben leuchtete. Ohne auf die Kühlbox zu achten, setzte ich meinen Text fort. Auch der König bemerkte währenddessen die Kühlbox und warf mir einen sehr strengen Blick zu. Als wenn ich es gewesen wäre…! Ich habe die Schuld dabei nicht auf den Bischof von Ely geschoben, wenngleich ich kurz mit dem Gedanken spielte.

Zweite Szene. Noch immer stand die Kühlbox an ihrem Platz. Niemand hatte es für nötig befunden, den auffälligen Farbtupfer aus der Kulisse zu entfernen.

Szenenwechsel zu einer Straße in London. Corporal Nym und Lieutenant Bardolph unterhalten sich und schlendern vorbei an einer fahl leuchtenden Laterne … und an einer umso greller leuchtenden signalroten Kühlbox.

Obwohl das Bühnenbild umgebaut worden war, hatte niemand daran gedacht, die Kühlbox von der Bühne zu nehmen. Inzwischen hatte auch schon jeder der Zuschauer die Gegenwart dieses futuristischen Utensils bemerkt. Ich ahne, dass man ihr inzwischen irgendeine künstlerische Bedeutung beimaß … so der Schrei aus dem Gulag moderner Zeit. Der Link in die Gegenwart. Auch Du bist im Hundertjährigen Krieg!

Das Ende der Geschichte war tatsächlich, dass sich diese Kühlbox bis in den letzten Akt auf der Bühne gehalten hat. Warum sie niemand von der Bühne entfernte oder wie sie letztlich überhaupt dort hingekommen ist, ist bis Dato nicht geklärt. Fakt ist jedoch, dass König Heinrich die Schlacht bei der Kühlbox von Agincourt siegreich für sich entscheiden konnte.

Auch nach der Vorstellung wurde der Urheber der Box nicht ermittelt. Natürlich tauchte die Frage auf, wer für diesen Schlamassel verantwortlich sei. Niemand fühlte sich schuldig. Letztlich übergaben wir die mittelalterliche Kühlbox (eine kurze Google Suche ergab, dass die Kühlbox gar nicht so mittelalterlich war und mehr als 70 Euro kostete!) an die Bühnenbauer für die Werkstatt. Dort würde man sicherlich Verwendung dafür finden.

Das schöne an dieser Geschichte ist nicht das Spenden einer Kühlbox an die Werkstätten der Bühnenbauer, sondern die Lässigkeit dieser Panne. Man stelle sich so eine Situation in einem Film vor. Herr der Ringe … Frodo sitzt auf einer Kühlbox, um auf Gandalph den Grauen zu warten. Oder Game of Thrones: Tyrion Lannister nimmt einen Weinschlauch aus seiner Kühlbox, um Sansa ein erfrischendes Getränk anzubieten. Undenkbare Szenen.

Im Theater allerdings ist alles möglich. Und während man bei einem Film bei so einer Panne davon ausgehen müsste, dass direkt nach der Sendung Hohn und Spott über die Macher des Filmes ergießen würde, so trugen die Zuschauer im Theater das leuchtende Rot mit Humor und Fassung.

Lediglich im Foyer hörte ich eine ältere Dame sagen: „Also, warum diese Kühlbox dort immer irgendwo stand, habe ich nicht verstanden.“ … „Das ist eben modernes Theater.“, hörte ich ihren Begleiter antworten.

Theater oder Varieté?

Wer sich mit den Begriffen nicht ganz so auskennt, mag fragen, was der Unterschied zwischen Theater und Varieté eigentlich ist. Varieté ist zwar Theater – Theater ist aber i.d.R. nicht Varieté.

Varieté ist eine Kunstform, die sich von herkömmlichen Theater und Schauspiel etwas absetzt. Sie ist bunter und lebendiger. Man kann das ein wenig mit Oper und Operette vergleichen. Kenner von ernsthafter klassischer Musik werden die Oper vorziehen. Wer sich mit nicht ganz so schweren Dramen auseinandersetzen möchte, geht in die Operette. Ganz ebenso ist das Verhältnis zwischen Theater und Varieté.

Varieté verbindet dabei alle möglichen Formen der Bühnenkunst. Ein Zirkus wäre ein klassisches Beispiel für Varieté. Auf der Bühne wird gespielt, getanzt, gelacht oder ein Kunststück vorgeführt. Der „verlängerte Arm“ des klassischen Varietés sind übrigens diverse Unterhaltungsshows im Fernsehen. Und da wird sich auch niemand beschweren, dass diese Kunstform veraltet oder langweilig wäre. Vielleicht ein wenig „einfältig“ und verspielt.

Ebenso, wie ein Operngänger der Operette eine gewisse Oberflächlichkeit vorwirft, so gibt es auch Theatergänger, die ein Varieté nicht wirklich ernst nehmen können. Obwohl im Varieté gespielt wird, erhebt man keinen Anspruch auf toternste Schauspielkunst. Obwohl im Varieté getanzt wird, benötigen die Tänzer keine klassische Tanzausbildung. Varieté soll in erster Linie unterhalten, während klassisches Theater durchaus auch einen gewissen Bildungsauftrag hat.

Sympathisch sind Häuser, die beide Kunstformen in ihrem Spielplan berücksichtigen. Ich kenne wirklich Häuser und insbesondere Schauspielkollegen, die einen von oben herab behandeln, wenn man zugibt Varieté zu machen. Schließlich wäre ernstes Sprech- oder Literaturtheater gehaltvoller und ernster. Natürlich ist es das. Es ist gehaltvoller und ganz ohne Frage auch ernster. Selbst wenn in einem herkömmlichen Theater ein Lustspiel auf dem Spielplan steht, wird man dort mehr über Literatur lernen, als in zehn Besuchen im Varieté. Allerdings wage ich es zu bezweifeln, dass zum Beispiel Kinder mehr Spaß in einem Stück von Brecht oder Fallada haben. Ich vermute, dass ein Familienausflug ins Theater unterhaltsamer wird, wenn dort eine Ballerina (absichtlich) etwas humpelt, ein Sänger (absichtlich) den Ton nicht immer trifft, ein Clown durch die Dekoration läuft oder ein Zauberkünstler Groß und Klein verzaubert. Dabei hat zwar kaum jemand etwas gelernt – gelacht haben sie jedoch alle. Genau das ist Varieté: es soll spaß machen!

Ich finde es deswegen so interessant, weil Varieté als Kunstform zwar auf der einen Seite so sehr belächelt wird – es sich auf der anderen Seite jedoch so begeistert transportiert und auch reproduziert. Eine Eis- oder Pferdegala. Riverdance, Shows im Fernsehen und selbst Andrew Lloyd Webber Produktionen sind gewissermaßen nichts Anderes als Varieté.

Dazu vertrete ich den Standpunkt, dass Kultur vielfältig sein muss. Man wird nicht jeden Menschen dazu bewegen können, eine Oper zu lieben. Wenn ich persönlich die Oper „La Traviata“ sehe, muss ich vor Ergriffenheit weinen. Das kann ich aber ja nicht von jedem anderen Menschen auch erwarten dürfen.

Viele Menschen lieben Oper und Theater. Wieder andere ziehen leichtere Unterhaltung vor und besuchen ein Varieté, einen Zirkus, Holiday on Ice oder die Vorstellung eines Zauberkünstlers. Wieder andere wälzen sich bei strömendem Regen im Schlamm auf einem Heavy-Metal-Festival. Aber selbst das ist Kultur. Da hat niemand einen Grund, respektive das Recht, auf den anderen herabzublicken und seine Wahl für die bessere zu halten. Kultur ist ebenso vielfältig und individuell wie das Publikum selbst. Es wäre ja langweilig, wenn wir alle das Gleiche mögen oder tun würden.

Am Ende bleibt der Applaus. Egal ob Theater, Ballett, Oper oder auch Varieté. Wenn das Publikum applaudiert, ist der Lohn erbracht und die Arbeit getan. Der Applaus im Varieté hört sich übrigens genauso an, wie der in einer Oper oder im Theater nach einem Stück von Brecht.

Das Zuhause in der Garderobe

Der Betrieb im Theater beginnt für mich um 9 Uhr. Meist ist man schon etwa eine halbe Stunde früher in der Garderobe, um mit den lieben Kollegen einen Kaffee zu trinken und Neuigkeiten auszutauschen. Um 9 Uhr beginnen dann die Proben – bis zum Mittag um 12. Nach einer einstündigen Mittagspause geht es dann von 13 bis 16 oder 17 Uhr in die zweite Runde. Je nachdem ob am Abend dann noch eine Vorstellung ist, wird die Garderobe zum Wohnzimmer, da es sich für viele Kollegen und Kolleginnen nicht lohnt, nach der zweiten Probe nach Hause zu fahren. Also verbringt man die Zeit nach der Probe bis zur Vorstellung im Theater.

Langweilig wird es nicht. Ganz im Gegenteil. Etwas „absonderlich“ mag dabei für Außenstehende das Inventar unserer Räume sein, welches im Laufe der Zeit ganz von allein gewachsen ist. Ich erinnere mich daran, dass alles mit einer Kaffeemaschine begann. Zwar haben wir auch eine kleine Kantine im Theater – diese steht jedoch nur zur Mittagszeit zur Verfügung. An den Stunden zwischen Probe und Vorstellung bleiben wir grundsätzlich in den Garderoben, bzw. dem Aufenthaltsraum. In genau jenem spielt sich dann auch alles ab.

Am Anfang war also die Kaffeemaschine. Kurze Zeit später folgte dann der obligatorische Wasserkocher für Tee und andere Heißgetränke. Durch das Engagement der Bühnenbauer und deren Transportmöglichkeiten folgte ein Kühlschrank und eine Mikrowelle. Gleichzeitig entsorgten wir ein paar der Tische und Stühle, um Platz für ein Sofa und zwei bequeme Sessel zu schaffen, die einer der Mitarbeiter auf dem Sperrmüll entdeckte und kurzerhand abtransportierte. An dieser Stelle dachte ich, dass wir mit der Einrichtung komplett sein würden.

Weit gefehlt. Inzwischen befindet sich ebenfalls ein Bücherregal, ein Samowar, eine Schnellkochplatte und ein Entsafter in den heiligen Hallen der Garderoben. Die Geschichte mit dem Entsafter ist dabei ganz unterhaltsam und besiegelt eigentlich auch das Ende unserer Sammlerleidenschaft. In einem besonders heißen Sommer bemerkten einige der Kolleginnen, dass Tee und Kaffee nur wenig erfrischend sein würden. Der Fokus der Unterhaltung fiel dann auf „Frucht-Smoothies“, die sich ja relativ leicht herstellen ließen. Sie fertig zu kaufen, befanden die Damen als zu kostspielig. Gleichzeitig kam eines der Weibsbilder dann auf den Trichter, dass es ja noch toller wäre, wenn man frisches Gemüse, bzw. Früchte, verwenden könne. Gesagt – getan: am nächsten Tag wurde ein Entsafter angeschleppt.

Leider gottseidank kam der Intendant des Hauses just in dem Moment in die Garderoben, als die Frauen damit beschäftigt waren den Entsafter in Betrieb zu nehmen. Der Mann stand eine geraume Zeit, sprachlos mit offenem Mund, in der Tür und betrachtete das Geschehen. Schweigend. Allerdings diese Art des aufdringlichen Schweigens, so dass nach ein paar Minuten alle Augen auf ihn gerichtet waren.

Nach einer kleinen Pause begann er zu bemerken, dass wir „interessant“ eingerichtet seien. Während er sprach, waren die Mädchen weiterhin mit dem Entsafter beschäftigt. Der Intendant bat darum, dass von „weiteren baulichen Veränderungen“ Abstand zu nehmen sei. Die Frauen am Entsafter waren allerdings so beschäftigt, dass sie die Standpauke nicht als solche wahrnahmen und den Intendanten kurzerhand zu einem Glas frisch gepressten Fruchtsaft einluden.

Zwar ließ er sich damit bestechen – er bestand jedoch darauf, dass der Entsafter das letzte Mitbringsel zur Ausstattung der Garderoben sein sollte.

Damit können wir leben! Eine Kaffeemaschine hat jeder! Aber wer kann schon von sich behaupten, dass neben Sofa und Bücherregal sogar ein Entsafter auf der Arbeitsstelle zu finden ist? Ihr habt vielleicht einen besser bezahlten Job – aber wir haben einen verdammten Entsafter!

Man verbringt auf diese Weise sehr viel Zeit mit den Kollegen. Selbstverständlich wäre die Zeit zwischen Probe und Vorstellung gewissermaßen Freizeit und sie wird auch nicht bezahlt. Trotzdem macht es Spaß, gemeinsam mit den Kollegen und Kolleginnen im Theater zu sitzen, Text und Rolle zu lernen, zu plaudern oder eben die Erzeugnisse des Entsafters zu genießen. So ein Arbeitsklima würde sicherlich in so manchem Betrieb dazu beitragen, dass die Arbeitnehmer viel entspannter sind. Klar braucht es dazu keine Sitzgruppe mit Bücherregal. Aber so ein wenig Gemütlichkeit am Arbeitsplatz könnte doch nicht schaden.

Für diese Mentalität liebe ich auch das Theater und speziell die Leute, mit denen man es hier zu tun bekommt. Menschen in kreativen Berufen neigen dazu, viele Dinge etwas entspannter zu betrachten. Wenn man einmal von den „Pseudo-Yuppies“ (hier die Definition von Yuppie 😉 ) in irgendwelchen ach-so-kreativen Werbeagenturen absieht. Die Freiheiten in einem Theater kann man höchstens mit denen der Bauarbeiter vergleichen; wenn sie denn einen coolen Vorarbeiter haben. Auf dem Bau wird sich auch niemand über mitgebrachte Liegestühle oder angeschleppte Haushaltsgeräte echauffieren – insbesondere auf Großbaustellen, auf denen länger gearbeitet wird.

In Sachen Betriebsklima und Kollegialität liegt so ein Theater ganz weit vorn. Ein Umstand, der über viele unbezahlte Überstunden bei einem kläglichen Gehalt hinwegtröstet. Wie bereits gesagt: (man kann es nicht oft genug wiederholen) Sie haben vielleicht einen schicken Designerschreibtisch und ein dickeres Gehalt … aber wir haben das Sofa und einen Entsafter.

An welchem Ort würden Sie nun lieber sein?

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Die Bühne – ein durchaus ehrbarer Beruf

Zu früheren Zeiten galt der Beruf des Schaustellers als nicht ehrbar. Im Mittelalter gehörten Schausteller zum „fahrenden Volk“ und zogen mit ihren Jahrmärkten oder Tingeltangel von Stadt zu Stadt. Obwohl es Theaterbauten bereits in der Antike gab, etablierte sich das Theater in Europa erst mit den Passionsspielen oder sogenannten Mirakelspielen. Das waren Stücke mit Inhalten zu den Heiligen, vermischt mit bekannten Geschichten aus der Bibel. In der Mitte des 16. Jahrhunderts tauchten dann die ersten Berufsschauspieler auf und die ersten großen Theaterbauten wurden in Angriff genommen, von denen noch heute viele in Betrieb sind.

Am Ansehen der Darsteller, Sänger, Tänzer und Schauspieler änderte sich aber zunächst einmal nicht viel. In vielen Familien wird man auch heute noch auf wenig Begeisterung stoßen, wenn man verkündet, „an das Theater“ gehen zu wollen. Dies obwohl ein Theater heutzutage durchaus ein Betrieb mit sehr unterschiedlichen und interessanten Berufen ist.

Neben den Tätigkeiten auf der Bühne, sei es nun als Tänzer, Musiker oder Schauspieler, gibt es endlose Berufe hinter den Kulissen. Angefangen von den Büros der Verwaltung bis hin zu den Werkstätten der Bühnenbauer und Kostümschneider. Viele dieser Berufe werden auch nicht direkt am Theater ausgebildet. Es gibt Beleuchter, Schneider, Tischler, Kosmetiker, Friseure, Kaufleute, Sekretärinnen und andere Berufe, die ihren Beruf zunächst einmal irgendwo lernen und dann durch eine Fügung des Schicksals letztendlich beim Theater landen. Warum also sollten diese Berufe nicht ehrbar sein?

Bei den darstellenden Berufen sieht das schon anders aus. Keine Primaballerina wird zufällig auf der Bühne landen. Ganz im Gegenteil. Insbesondere klassische Tänzer stellen die Weichen für diesen Beruf schon in sehr jungen Jahren. Während andere Kinder an den Baggersee fahren oder sich die Freizeit mit mehr oder weniger sinnvollen Tätigkeiten vertreiben, schuften die kleinen Tänzerinnen und Tänzer schon emsig an ihrer Karriere. Nicht selten ist eine Ballerina schon mit 18 mit ihrer Ausbildung fertig, einem Alter indem die meisten anderen erst mit ihrer Berufsausbildung beginnen.

Mit Mitte 20 bis 30 wird eine Tänzerin dann irgendwann auf dem Höhepunkt ihrer Karriere sein. Viele klassische Tänzer und Tänzerinnen wechseln dann vor dem vierzigsten Lebensjahr ihren Beruf, da die große körperliche Belastung ihren Tribut zollt. Von den vielen Tänzern und Tänzerinnen werden nur wenige zu wirklichem Ruhm kommen. Trotz harter Arbeit und Jahre von Schmerz und Entbehrung landen die meisten im sogenannten „Corps de Ballet“. Die Stars sind dann die „ersten Tänzer“, bzw. Primaballerina.

Musiker und Schauspielern ist ein etwas anderes Schicksal beschieden. Hier gilt das Alter nicht so sehr als Grund den Beruf zu wechseln. Viele der guten Schauspieler werden erst ab 40 erst richtig wahrgenommen. Denken Sie an ihre Lieblingsschauspieler oder Schauspielerinnen. Vermutlich werden hier Namen von Leuten dabei sein, die schon etwas älter sind. Schauspieler, denen in Filmen große Karrieren bestimmt sind, haben ihr Handwerk nicht nur an den Schauspielschulen gelernt, sondern oftmals auch in Theatern.

Zwar gibt es Ausnahmen – im Kreise von Schauspielern werden Sie aber immer wieder hören, dass erst das Theater eine Schauspielausbildung abschließt, bzw. abrundet. Im Theater gibt es keine Wiederholung oder „Klappe“. Da muss die Rolle, der Text und das Stück sitzen, wenn man sich nicht beim Publikum blamieren möchte. Wer selbst einmal eine Rolle gespielt hat, wird wissen, dass auch dieser Beruf gelernt sein will. Es geht um Sprache, Ausdruck und Ausstrahlung. Gemessen daran, wie oft ein jeder von uns Theater oder Filme anschaut und dabei gutes Schauspiel erwartet und für selbstverständlich hält, wäre die Behauptung, der Beruf sei nicht ehrbar, schlicht respektlos.

Leider geht es der Branche gar nicht so gut, wie es sein sollte. Obwohl wir an den Wochenenden gemütlich auf dem Sofa liegen, um einen Film zu schauen oder im Theater sitzen und gutes Schauspiel und eine spannende Unterhaltung erwarten, können in Deutschland etwa nur 7 Prozent der Schauspieler von ihrem Beruf leben.

Bei Tänzern ist diese Prozentzahl noch geringer. Ohne zu Übertreiben gibt es unter den Schauspielern Leute, die an Elite-Universitäten studiert haben und dann für einen Mindestlohn arbeiten. Gerechtigkeit sähe da anders aus. Natürlich verdient ein Handwerker sein Geld, wenn er unsere Waschmaschine repariert. Natürlich wird dem Bankdirektor ein fettes Gehalt gezahlt, damit er unsere Sparguthaben verzockt. Warum aber werden Schauspielern keine vernünftigen Gehälter gezahlt, obwohl sie uns so viele schöne Stunden der Unterhaltung schenken?

Diese Frage werden wir an dieser Stelle zwar nicht klären können – wir möchten sie unseren Lesern aber, an dieser Stelle, zum Nachdenken an die Hand geben.

Theater ist Kultur… und Kultur gehört zum Wohlbefinden einer Gesellschaft.

Dabei ist es dann nicht wichtig, ob es sich bei der Kultur um Philharmonie, Varieté, Oper, Ballett, Tanztheater, Schauspiel oder einen verdammt guten Spielfilm handelt. All dies entspringt demselben Geiste. Sich einem kreativen Beruf zu widmen, um anderen Menschen Freude zu schenken. Ehrbarer kann ein Beruf doch wirklich nicht sein, oder?